Um Ihnen die Thematik und Problematik eines Studienausstiegs näherzubringen, haben wir im Rahmen einer Good-Practice-Reihe verschiedene Werdegänge von Studienaussteiger/innen aufgeschrieben, die sich heute in einer Ausbildung befinden. Unser Ziel ist es, aus Sichtweise der Studienaussteiger/innen, deren Gedanken zu konkretisieren und verständlich zu erläutern.

Wir bedanken uns bei den folgenden Personen, die uns ihre Geschichte zur Verfügung gestellt haben.

 

 

(Sebastian) „Mit Abitur studiert man doch! ...Oder?“ 

Auf die Frage was man nach dem Abitur macht, hört man häufig Antworten, die nach folgendem Prinzip aufgebaut sind: "Jetzt hab ich schon…, jetzt muss ich auch…" Für viele Abiturienten in Deutschland ist es ein vorgeebneter Weg, nach dem Abitur zu studieren. Geprägt durch den eigenen Wunsch, aber nicht zuletzt auch geprägt durch Freunde und vor allem durch die Eltern.

So erging es auch Sebastian aus Köln  

„Nach dem Abitur wusste ich nicht so recht, was ich machen wollte. Deshalb erschien mir, um nachzudenken, ein Jahr im Ausland mit „Work & Travel“ sinnvoll. Doch meine Eltern haben mir das Studium schmackhaft gemacht. Also fing ich an, in Kassel BWL zu studieren.

Doch von Anfang an fiel ihm das Studium schwer. Irgendwie hatte ich mir das Fach anders vorgestellt und Kassel war nicht meine gewohnte Umgebung. Er fühlte sich nicht wohl, was durch einen Todesfall in der Familie im vergangenen Jahr noch verstärkt wurde. So kamen ihm bereits im ersten Semester Zweifel am Studium.

Er wollte trotzdem weitermachen, hatte sich mit Freunden und Freundin einen sozialen Kreis in Kassel aufgebaut. Doch als die Beziehung nach vier Semestern vorbei war, zweifelte er stark an seiner jetzigen Situation und er entschied, das Studium aufzugeben und in seine Heimat nach Köln zurückzukehren.

Dort wollte er zunächst Maschinenbau studieren. Weil er jedoch noch ein Semester warten musste, schrieb er sich aus Versicherungsgründen zunächst im Fach Physik ein.

Anfangs war es nur ein Lückenfüller, doch dann begann er sich sehr für Physik zu interessieren und entschied sich gegen Maschinenbau.

„Physik hat mir Spaß gemacht und mich sehr interessiert“

Doch Spaß und Interesse reichten nicht aus, um mit der theoretischen Kühle und Wirklichkeit von Physik mitzuhalten. Und so wurde in Klausurergebnissen das widergespiegelt, was Sebastian bereits vermutete: Er würde das Studium nicht schaffen. … Doch nochmal abbrechen?

„Einmal hatte ich schon abgebrochen und Studienabbrecher haben diesen Makel im Lebenslauf. Ihnen wird nachgesagt, kein Durchhaltevermögen zu haben“.

Eben solche und andere Gründe, ließen auch Sebastian weiter studieren und er beschäftigte sich weiter mit Mathematik und Physik. Doch die Zweifel wurden immer größer.

„Man fällt in ein Loch und weiß nicht weiter“

Genau wie so viele junge Menschen in Deutschland auch, deren Gründe für einen Ausstieg bei einem falschen Studiengang anfangen und weiterführen über zu großen Leistungsdruck bis zu finanziellen Problemen, stand Sebastian vor den zermürbenden Fragen: Was sind die Folgen eines endgültigen Studienausstiegs? Wie gravierend wirkt sich das auf meinen Lebenslauf aus? Wie kann es weitergehen? Trotz aller Fragen entscheid sich Sebastian für einen Studienausstieg.

Rückblickend auf die Zeit an der Universität sagt er heute: „Auch wenn ich heute keinen Studienabschluss in der Tasche habe, habe ich doch einiges an Erfahrungen gesammelt. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn man scheitert. Eine unschöne, aber zugleich auch wertvolle Erfahrung. Viele, die ihr Studium einfach durchziehen, waren noch nie mit solchen Problemen konfrontiert.“

Über Berater der Handwerkksammer zu Köln, fand Sebastian einen Ausbildungsplatz. Heute ist er im zweiten Lehrjahr als Auszubildender zum Elektroniker der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik bei einer Firma in Köln beschäftigt.

Auch seine Vorkenntnisse aus dem Studium helfen ihm jetzt. Gegenüber anderen Auszubildenden aus der Berufsschule habe ich einen gewissen Vorteil, da ich mich schon mal mit der Theorie beschäftigt habe“.

Was er nach der Aubildung macht, weiß Sebastian noch nicht. "Vielleicht Meister, Techniker oder doch noch ein Studium". Doch wie er selbst sagt: "Endlich habe ich eine Grundlage, auf der ich aufbauen kann".

Sebastian B. aus Köln, April 2015

 

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(Andreas) „Ich wollte Lehrer werden“…

… antwortet er auf die Frage, warum er denn studieren wollte?

Andreas kommt aus einer Handwerkerfamilie aus Kerpen und hatte immer viel Spaß an handwerklichen Tätigkeiten. Schon früh damit in Verbindung gebracht, schien es zunächst logisch, dass auch er diesen Weg einschlagen würde. Doch viele seiner Freunde wollten später studieren und auch er wollte der erste aus seiner Familie sein, der studieren würde.

Während der Schulzeit, begann Andreas Interesse für den Beruf des Lehrers zu zeigen. Inspiriert von deren Tätigkeit und mit festem Ziel vor Augen, schaffte er den Wechsel von der Realschule auf das Gymnasium. Nach bestandenem Abitur schrieb er sich für ein Lehramtsstudium mit den Fächern Geographie und Religion in Bonn ein.

Motiviert startete er ins Studium. Doch schon bald lernte er die unangenehmen Seiten des Universitätsalltags kennen.

„Die ersten zwei Semester liefen gut aber relativ mühsam, da alles so voll war. Es war schwer, einen Platz für ein Seminar zu bekommen. In den Hörsälen musste man häufig auf den Gängen sitzen, wenn man zu spät kam.“  

Inhaltlich fiel ihm das Studium nicht schwer, aber organisatorisch gestaltete es sich aufgrund des Mangels an Seminar- und Studienplätzen zunehmend anstrengender.

„Es fühlte sich alles so schleppend an! Im Studium weiterzukommen hatte nicht nur was mit Selbstdisziplin und Eigeninitiative zu tun, sondern auch mit sehr viel Glück. Es war frustrierend, wenn man ein Seminar erst nächstes Semester wieder belegen konnte, weil die Anmeldezahlen zu hoch waren.“

Nebenbei arbeitete Johannes in einem Bauunternehmen und verrichtete dort unterschiedliche handwerkliche Tätigkeiten. Es war gut verdientes Geld, denn schließlich musste er auch seinen Lebensunterhalt irgendwie finanzieren. Die Zeit, in denen er Seminare nicht besuchen konnte, verbrachte er zunehmend mit der Arbeit im Bauunternehmen und irgendwann arbeitet er mehr, als sich auf das Studium zu konzentrieren. 

Im dritten Semester stand ein Praktikum an. Er nahm sich vor, danach wieder mehr Zeit für das Studium aufzuwenden. Doch die Noten wurden irgendwann schlechter und er entschied sich nach langen Überlegungen dafür, dass Studium aufzugeben.

„Natürlich war es eine Überlegung, den Studiengang zu wechseln und ein neues Studium zu beginnen, doch vor dem Hintergrund der schlechten Erfahrungen, die ich gemacht habe und der Unsicherheit überhaupt ein Studium zu schaffen, wollte ich erst einmal eine Ausbildung machen, also etwas machen wo ich weiß, dass ich gut bin.“     

Diese Entscheidung liegt jetzt fast zwei Jahre zurück. Mittlerweile befindet sich Andreas kurz vor Ende der Ausbildung zum Tischler im Bereich Möbelbau. Durch sein Abitur konnte er die Ausbildung um ein Jahr verkürzen. Er denkt heute positiv an das Studium zurück.

„Lehrer zu werden war nicht meins, das habe ich feststellen müssen. Ich bin handwerklich begabt und darauf möchte ich aufbauen.“

Das Thema Studium ist für ihn übrigens noch nicht vorbei.

„Die Ausbildung ist für mich eine wichtige Orientierung. Jetzt weiß ich, wo ich hin will. Zunächst möchte ich eine Zeit als Geselle arbeiten. Doch mein langfristiges Ziel ist ein Bauingenieurstudium an einer FH.“

Andreas B. aus Kerpen, Juni 2015

 

 

(Ynès) „Habe eine Orientierung benötigt“

Nach dem Abitur entschied sich Ynès für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). Während dieser Zeit wollte sie darüber nachdenken, wie es zukünftig weitergehen könnte. Anschließend fing sie an zu studieren, wechselte jedoch nach ein paar Monaten den Studiengng und brach letztendlich ihr Sozialwissenschaftsstudium in Köln im zweiten Semester ab.

„Während meiner Schulzeit war ich unentschlossen was meine Zukunft anging. Natürlich hatte ich mir Überlegungen hierzu gemacht, doch sie brachten mich zu keinem Ergebnis. Das FSJ sollte mir Orientierung geben.“

Wie so viele Abiturienten in Deutschland, wusste auch Ynès nicht, wie es nach dem Abitur weitergeht. 

„Ein paar Mal hatte ich den Gedanken, dass es schön wäre, etwas in Richtung Mode, Nähen etc. zu machen. Aber auch da kam mir eine Ausbildung nicht in den Sinn.“

Warum eine Ausbildung machen, wenn man Abitur hat? Ein Gedanke, der bei den meisten Gymnasiasten durch den gefühlten Studierzwang gänzlich verloren geht. Dabei kann eine Ausbildung der Grundstein für eine erfolgreiche Karriere sein und vor allem die berufliche Selbstverwirklichung bedeuten. Diese Erfahrung machte auch Ynès.

„Während des Studiums wusste ich nicht, wozu ich das alles lernen sollte? Mir fehlte das Lebensnahe und Handfeste, das Gefühl wirklich etwas zu gelernt zu haben, was man auch anwenden kann. Etwas Wirkliches zu schaffen, ist für mich viel mehr wert als blankes theoretisches Wissen. Hätte ich früher auf mein Bauchgefühl gehört, hätte ich einiges an Zeit gespart.“

Nach dem Abbruch fing Ynès an, sich zu bewerben und wurde über Ausbildungsberater der Handwerkskammer zu Köln in eine Ausbildung zur Maßschneiderin in einen Betrieb vermittelt. Für Ynès war der Abbruch die richtige Entscheidung. Sie befindet sich heute im zweiten Lehrjahr kurz vor der Abschlussprüfung.

„Erstmal möchte ich ein bisschen arbeiten, weil mir das Spaß macht. Ich möchte später auf jeden Fall aufbauen auf dem, was ich hier lerne, denn die Ausbildung gibt mir endlich die Orientierung, die ich gesucht habe. Eventuell möchte ich auch noch mal studieren, man weiß ja nie was kommt.“

Ynès E. aus Euskirchen, April 2015